Moguntia Projekt 2003 - 2008
Kuratorisches Projekt in Zusammenarbeit mit I. Helen Jilavu / Installation
>> www.moguntia-projekt.org
Moguntia Projekt #1, 2003, ehemalige Moguntia Gewürzmühle, Mainz
Moguntia Projekt #2, 2003, ehemaliges Wohnhaus, Mainz
Moguntia Projekt #3, 2005, ehemalige JVA, Mainz

„DIE MODERNSTE GEWÜRZFABRIK IN EUROPA“
Katalogtext Moguntia Projekt #3
Laura Padgett, 2005

Seit seiner Entstehung 2003 hat das Moguntia Projekt leer stehende Gebäude ausfindig gemacht und für eine kurze Zeit ihre Existenz verändert. Das Phänomen ein ungenutztes Gebäude auszuwählen, welches auf Grund von Überalterung oder städtebaulichen Entwicklungen geschlossen wurde, bringt seine eigene Geschichte mit sich. Jedes Gebäude, sei es eine nicht mehr bestehende Gewürzfabrik, ein heruntergekommenes Wohnhaus oder ein veraltetes Gefängnis, ist beladen mit seiner eigenen Bedeutung. Durch eine Instandsetzung, einen Abriss oder ein Auslöschen aus der Landschaft wird diese bald verloren gehen. Was einst eine Landmarke war, verschwindet, was einst ein Zuhause oder eine Haftanstalt war, verwandelt sich in eine leere Hülse.
Erik Schmelz and I. Helen Jilavu haben sich entschieden diese Parameter zu nutzen, um ihre eigene Geschichte zu entwerfen. Während die Architektur selbst sich in ein Objekt mit limitierter Lebensdauer verwandelt, welches gegensätzlich zu unserer Vorstellung an seine Beständigkeit steht, gewährt uns das Moguntia Projekt einen zwölfstündigen Zugang zu diesen schwindenden Orten. Es ist eine sonderbare Idee Zeitlichkeit zu nutzen um ein Gefühl der Ausdehnung zu kreieren. Die Zeit wird limitiert, so dass wir sie bewusst wahrnehmen. Wie auch immer, es funktioniert. Ihre Geschichte wird dahingehend erweitert, dass andere Künstler eingeladen werden an der Umgestaltung dieser Orte teilzunehmen, ihre eigenen Geschichten zu entwickeln und sie an diesem Tag publik zu machen; dieses Jahr am 4. Juni von 10 Uhr bis 22 Uhr.
Bis heute waren die ausgewählten Gebäude des Moguntia Projektes keine öffentlichen Räume. Durch das Projekt können wir nun diese bisher entweder privaten, betrieblichen oder zur Internierung gedachten Räumlichkeiten betreten. Diese Orte wären uns nicht zugänglich gewesen, wenn wir dort nicht gelebt, gearbeitet oder etwas mit dem deutschen Strafvollzug zu tun gehabt hätten. Jeder Künstler reagiert auf die vorgegebenen Bedingungen. Die Tatsache, dass der für das derzeitige Projekt gewählte Gebäudekomplex ein ehemaliges Gefängnis ist, hat die entstandenen künstlerischen Arbeiten eindeutig beeinflusst.
Sei das Thema die Begierde, der Verlust oder die Hoffnung: jeder Künstler hat eine Arbeit geschaffen, die sich nicht lediglich mit dem vorgegebenen Raum befasst in dem sie erscheint, sondern auch mit der Bedeutung die der Raum vorher hatte; sei es eine Zelle, ein Waschraum, ein Gang oder ein Besuchsraum gewesen. Die Künstler haben orts-spezifische Arbeiten oder Performances für die ehemalige Justizvollzugsanstalt geschaffen, die an diesem bestimmten Tag präsentiert werden.
Erinnerung spielt eine große Rolle in den Arbeiten von Christian Hörder und Christian Peter. Die Sound-Performance von Sascha Sulimma von andcompany&Co schöpft aus vorliegendem Material; atmosphärische Geräusche werden aufgenommen und vor Ort weiterverarbeitet während Bernd Thewes auf vorhandene architektonische Elemente im Innenhof mit einer Sound-Installation antwortet. Thomas Hombach reagiert auf die Solidität und unseren Glauben in Architektur als etwas das uns beschützen kann; sein Sujet ist die Mauer selbst. Jan Harsa ist bestrebt seinen gewählten Ort durch Wandmalereien zu transformieren, während Peter Schulz beschlossen hat Wandzeichnungen im Zeitrahmen von zwölf Stunden entstehen zu lassen. Stefanie Ohler und Kristina Dänzer erkunden Sytemstrukturen. Sarah Aba Levitt and Flashkes betrachten den Strafvollzug als Institution, während Ilka Meyer, Nisani Bührlein and Petra Mattheis über die Relation zwischen Verlangen und Unzugänglichkeit nachdenken. Marta Klepinski untersucht die Unsicherheit und Ivaylo Stoyanov den Zustand des Eingesperrtseins. Erik Schmelz und I. Helen Jilavu stellen die Macht der Korrespondenz und seine Manipulation gegenüber. Frank Gabriel experimentiert mit Ideen des Ausgesetztseins und dem Verlust der Privatsphäre. Julien Grawitter zeigt einen freiwillig Unterdrückten. Jeder Künstler hat eine Arbeit entwickelt wie sie nur zwölf Stunden existieren wird. Wir nehmen uns entweder die Zeit in die Dieter-von-Isenburgstraße zu gehen oder sie werden alle in ihrer individuellen Existenz verschwinden, wie es das Gefängnis in seiner Funktion als solches auch getan hat. (Übersetzung aus dem Englischen vom Moguntia Projekt)